1945–1990: Deutsche Teilung

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand das zuletzt heftig umkämpfte Reichstagsgebäude als Teilruine in

 

einer von Trümmern geprägten Umgebung. Die Freiflächen ringsherum dienten
der hungernden Bevölkerung als Parzellen für den Anbau von Kartoffeln und Gemüse. Am 22. November 1954 wurde die Kuppel gesprengt – wegen angeblicher
statischer Unsicherheit und um das beschädigte Gebäude zu entlasten.
Diese Begründung wird in kritischen Texten als„fragwürdig“ bezeichnet. In den folgenden Jahren beschränkte sich die neu gegründete Bundesbau verwaltung darauf, das Bauwerk zu sichern.

Der Wiederaufbau
1955 beschloss der Bundestag die völlige Wiederherstellung. Allerdings war die Art der Nutzung im geteilten Deutschland noch ganz ungewiss. Der Architekt Paul Baumgarten erhielt 1961 als Gewinner eines zulassungsbeschränkten Wettbewerbs den Auftrag für Planung und Leitung des Wiederaufbaus, der 1973 beendet war.
Zahlreiche Schmuckelemente der Fassade fielen weg, die Ecktürme wurden in der Höhe reduziert, auf eine neue Kuppel verzichtete man.
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Reichstag nach alliierter Bombardierung, 1945
Im Inneren verschwanden große Teile der alten Bausubstanz hinter Abdeckplatten, neue Zwischengeschosse vergrößerten die Nutzfläche und veränderten dabei weitgehend die ursprüngliche Raumstruktur. Der Plenarsaal wurde gut doppelt so groß und hätte alle Abgeordneten eines wiedervereinigten Deutschland mühelos aufnehmen können. Seit dem Viermächte-Abkommen von 1971 durften aber nicht einmal Plenarsitzungen des Bundestages in Berlin abgehalten werden. Nur Ausschuss- oder Fraktionssitzungen waren in den neu eingerichteten Räumen möglich.

Rigorose Eingriffe – gerade Linien und glatte Flächen
Baumgartens Eingriffe – von der Bundesbaudirektion unterstützt oder vorgeschrieben - erscheinen heute allzu rigoros, erklären sich aber aus der historischen Situation. Er verwendete die aktuelle Formensprache seiner Zeit, der Moderne der 1960er Jahre. Dekorative Gestaltung war tabu. Gerade Linien und glatte Flächen dominierten. Insbesondere die repräsentativen Bauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts galten als schwülstig, überladen, wenig erhaltenswert. Denkmalpflegerische Gesichtspunkte hatten kaum Gewicht. Dazu kam im Falle des Reichstagsgebäudes ein spezielles Motiv, jenseits ästhetischer Erwägungen: das Haus war ursprünglich, trotz seiner parlamentarischen Bestimmung, das Symbol einer vordemokratischen Staatsform gewesen. Darauf folgten eine schwache Demokratie und eine brutale Diktatur. Gerade hatten die Deutschen zu einer noch jungen Demokratie zurück gefunden. Es schien also nur folgerichtig, sich mit deutlichen Einschnitten, mit einer strikt zeitgenössischen Ästhetik erkennbar von der Vergangenheit abzusetzen. Inzwischen gelten andere Maßstäbe. Baumgartens Änderungen wurden rückgängig gemacht und hinterließen in einem neuen Umbaukonzept keine Spuren.

 
Direkt an der Berliner Mauer
Während der deutschen Teilung von 1961 bis 1989 verlief die Berliner Mauer unmittelbar an der Ostseite des Reichstagsgebäudes. Im Gebäude war ein Museum über den Bundestag und die Geschichte des Reichstagsgebäudes zu besichtigen. Für ausländische Staatsgäste gehörte der Besuch der Außenterrassen mit Blick über die
Berliner Mauer gewissermaßen zum Pflichtprogramm. Seit 1971 wurde im Gebäude die Ausstellung "Fragen an die Deutsche Geschichte" gezeigt und von mehreren Millionen Interessenten besucht.

1990: Umzug nach Berlin beschlossen
Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 beschloss der gesamtdeutsche Bundestag am Ende einer intensiven, kontrovers geführten Debatte den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin und damit die Verlegung des Bundestages in das Reichstagsgebäude.

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Berliner Mauer und Reichstag
 
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